Leider werden viele Unwahrheiten und Halbwahrheiten über das Thema digitale Mikrofone verbreitet. Hier wird eine Klärung einiger wichtiger Fragen versucht:

  • Rauschen digitale Mikrofone weniger als analoge Mikrofone?

Nein. Auch in einem digitalen Mikrofon arbeiten A/D-Wandler und zuvor eine analoge Verstärkungsstufe, genauso wie auch dem analogen Mikrofon ein Vorverstärker und ein A/D-Wandler nachfolgt.

In beiden Fällen wird dem Rauschen der Mikrofonkapsel, das unter anderem durch die Bewegung der Luftmoleküle auf der Membran erzeugt wird, das Rauschen der verschiedenen elektronischen Komponenten hinzugefügt. Um das Rauchen insgesamt minimal zu halten, müssen die Komponenten gut aufeinander angepasst werden. In einem digitalen Mikrofon wird diese Anpassung durch den Mikrofonhersteller erledigt. Mit einem analogen Mikrofon muss der Tonmeister manuell für die optimale Anpassung sorgen, indem er Vorverstärker und A/D-Wandler optimal aussteuert. Optimal heißt in diesem Fall, dass der Gain jeweils mindestens so hoch gewählt wird, dass die nachfolgenden Geräte dem Mikrofon kein zusätzliches Rauschen hinzufügen. Gelingt dies (und das ist bei fachgerechter Bedienung normal), so ist der Pegel des Grundrauschens von analogem und digitalem Mikrofon vergleichbar.

Der einzige Unterschied in Bezug auf das mindestmögliche Grundrauschen bleibt nun die Qualität der verwendeten elektronischen Komponenten. Die Mikrofonmechanik ist in beiden Fällen die gleiche, die anderen Komponenten allerdings nicht, denn im digitalen Mikrofon müssen sie zwangsweise sehr klein und stromsparend sein. Das muss theoretisch kein Nachteil für das digitale Mikrofon oder entsprechende Mikrofonvorverstärker sein, denn Komponenten mit höherem Eigenrauschen können ja mit entsprechend höherem Eingangspegel angesteuert werden, damit ihr Rauschen vom allgemeinen Rauschen verdeckt wird. 

--> siehe auch White Paper "Digital Microphones and AES42" Kapitel 2.2 und 2.3

Ersatzgeräuschpegel einiger analoger/digitaler Mikrofone:

Mikrofontype analog/digital    

Ersatzgeräuschpegel

   

Analoge Type

Digitale Type

Neumann KMA 133/KMD 133 (Omni) 15 dB(A) 15 dB(A)
Neumann KMA 184/KMD 184 (Cardioid) 13 dB(A) 13 dB(A)
Neumann TLM 103/TLM 103 D (Cardioid, Großmembran)  7 dB(A) 7 dB(A)
SCHOEPS CMIT/SuperCMIT (Shotgun) 14 dB(A) 16 dB(A)
SCHOEPS CMD 42 + MK 4 (Cardioid) 14 dB(A) 14 dB(A)
Sennheiser MKH 8060/MKH 8060 mit MZD 11 dB(A) keine Angabe, aber >=11 dB(A)
      
  • Können digitale Mikrofone mehr Dynamik erreichen als analoge Mikrofone?

Die Frage muss heißen: Kann eine Signalkette, die mit einem digitalen statt einem analogen Mikrofon beginnt, mehr Dynamik erreichen?

Dazu muss zunächst klar sein, was "Dynamik" eigentlich bedeutet: Mit der "Dynamik" wird die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Signalpegel bezeichnet, die durch das Mikrofon in der zu messenden Signalkette zur selben Zeit übertragen werden kann. Die obere Grenze der Dynamik ist der "maximale Schalldruckpegel", die unter Grenze ist das Grundrauschen. Beide Werte müssen dabei bei ein und derselben Einstellung des Mikrofons bzw. der zu messenden Signalkette gemessen werden. Das ist zwar eigentlich völlig logisch, wird aber trotzdem oft falsch interpretiert.

Die Frage nach der besseren Dynamik ist möglicherweise gar keine technische Frage, sondern hängt vielmehr mit praktischen Gegebenheiten zusammen. Denn technisch ist eine hohe Dynamik mit beiden Mikrofontypen möglich. Aber meistens wird der Gain entsprechend hoch eingestellt, und damit auf die Übertragung höchster Schalldrücke verzichtet. Der Grund dafür ist einfach: Man will das Signal auf einen handhabbaren Arbeitspegel einstellen, denn die folgenden Regler (Fader, Kopfhörerausgänge) haben nicht die nötige Verstärkung, um sehr leise Signale zu verarbeiten.

Das gilt sowohl für analoge als auch digitale Mikrofone. Bei analogen Mikrofone verhindert man dadurch gleichzeitig, dass der Vorverstärker Rauchen hinzufügt. 

Wann brauche ich eine hohe Dynamik, ohne neu aussteuern zu müssen?

Beispiel 1: Orgelaufnahme nachts. Die Orgel kann Signale mit sehr hoher Dynamik erzeugen.
Ist die Kirche leise und spielt der Organist eine pianissimo-Passage, braucht man ein sehr geringes Grundrauschen und damit hohe Aussteuerung. Will man nun nicht neu aussteuern, wenn der Organist zur nächsten fortissimo-Stelle kommt, braucht man eine hohe Dynamik.
Beispiel 2: O-Ton Aufnahme in einer ruhigen Film-Location. O-Tonmeister müssen immer damit rechnen, dass auch in einem sehr leisen Dialog plötzlich eine Tür zugeschlagen wird. Dies kann mit geringer Dynamik zu einer Übersteuerung führen.

--> siehe auch White Paper "Digital Microphones and AES42" Kapitel 2.2 und 2.3
Mehrstufige Vorverstärker-/Wandlerarchitektur:
Eine mehrstufige Vorverstärker-/Wandlerarchitektur ist im Prinzip nichts anderes als wenn der Tonmeister das Mikrofonsignal auf zwei oder mehr Vorverstärker splittet und diese beiden Vorverstärker unterschiedlich aussteuert. Der hoch ausgesteuerte Vorverstärker wird bei leisen Passagen gewählt, der niedrig ausgesteuerte Vorverstärker bei lauten Passagen. Die Auswahl des Vorverstärkers bzw. Verstärkerzweigs geschieht in einer mehrstufigen Vorverstärker-/Wandlerarchitektur automatisch und mit heutiger Technologie ohne hörbare Artefakte durch das Umschalten. Solche automatischen mehrstufigen Systeme sind z.B. das Gain-Ranging oder verwandte Systeme mit variierter analoger Pegelfunktion wie z.B. das Neumann-System.

 

  • Haben alle digitale Mikrofone eine hohe Dynamik?

Nein. Im Augenblick haben nur die Neumann Solution-D Digitalmikrofone eine hohe Dynamik. Die beiden anderen existierenden Digital-Verstärker (Sennheiser MZD8000 und SCHOEPS SuperCMIT) sind einstufig und haben somit eine geringere Dynamik.

  • Braucht man ein Gain in einem digitalen Mikrofon?

Nein. Analoge Mikrofonvorverstärker brauchen ein gain, damit der Mikrofonpegel korrekt an Vorverstärker und A/D-Wandler angepasst wird. Die Anpassung ist in einem digitalen Mikrofon fest, also nicht veränderbar. Das heißt, das gain in einem digitalen Mikrofon verringert lediglich die Dynamik, indem es den maximal erlaubten Schalldruck verringert. Aber: Ein gain im oder nach dem digitalen Mikrofon ist sinnvoll, um den Mikrofonpegel in den normalen Arbeitsbereich zu heben.